Nach ein paar erlebnisreichen Wochen ließen wir Ecuador schließlich hinter uns. Von Cuenca aus ging es in einer achtstündigen Busfahrt über die Grenze nach Peru. Obwohl die beiden Länder so dicht beieinander liegen, sind sie doch so verschieden. Wenn wir in Ecuador beispielsweise ein Taxi nehmen wollten, mussten wir uns stets darum bemühen. In der kleinen Stadt Máncora im Norden Perus, waren wir hingegen noch nicht einmal aus dem Bus gestiegen, als uns schon fünf Taxifahrer wild mit den Händen wedelnd auf ihre Anwesenheit aufmerksam machten. Während Preisverhandlungen in Ecuador eher unüblich sind und die Taxifahrer stattdessen auf ihre Preislisten verweisen, versuchten uns ihre peruanischen Kollegen erst mal mit dem Mehrfachen des Normalpreises über den Tisch zu ziehen - willkommen in Peru! Unsere Fahrt zum Hostel konnten wir zwar nach einigem Hin und Her von fünf auf einen Dollar herunterhandeln - ein ehrliches Preisangebot ohne Feilschen wäre uns aber lieber gewesen. In Máncora sollten wir unsere Schweizer Freunde Marija und David wiedertreffen, mit denen wir eine Woche zuvor unser Abenteuer auf den Galápagos Inseln bestritten hatten. Die beiden hatten uns netterweise ein Zimmer im wunderschönen Hostel 'AquamarInn' reserviert und so konnten wir es uns schon kurz nach unserer unserer Ankunft am frühen Morgen nochmal für ein paar Stunden in unserem Bett gemütlich machen. Die Wiedersehensfreude war groß und obwohl wir uns erst ein paar Tage zuvor gesehen hatten, gab es doch viel zu erzählen. Bereits auf Galápagos hatten wir darüber nachgedacht, gemeinsam das Amazonasbecken zu erkunden und so fingen wir noch am Frühstückstisch damit an, detailliertere Pläne zu schmieden. Nachdem wir ein paar Busunternehmen abgeklappert hatten, buchten wir uns für den nächsten Morgen unsere Weiterfahrt. Wir hätten gut und gerne noch ein paar Tage mehr in dem warmen Küstenort verbringen können, aufgrund des anstehenden Wochenendes und der äußerst begrenzten Transportmöglichkeiten in Richtung des etwas abgelegenen Örtchens 'Chachapoyas', einer Zwischenstation auf dem Weg zum Amazonas, entschieden wir uns allerdings dagegen. Am Nachmittag erkundeten wir zu Fuß das kleine Städtchen, genossen bei ein paar Bier den Sonnenuntergang am schönen Strand und kochten uns in der gut ausgestatteten Küche des Hostels ein leckeres Abendessen.
Nach einer sechsstündigen Tages- sowie einer anschließenden Nachtfahrt in einem glücklicherweise äußerst komfortablen Bus, kamen wir am Morgen im kleinen, auf rund 2.300 Metern Höhe gelegenen Örtchen Chachapoyas an. Die kleinen Holzbalkone, die Aufteilung der Straßen in sogenannte 'Cuadras', die Dächer mit den traditionellen Dachziegeln und der mit Bänken, bunten Blumen und einem bronzenen Brunnen geschmückte Plaza zeugen davon, dass Chachapoyas einst das Zentrum der Kolonialherren in Nordostperu war, von dem aus die spanischen Eroberer ab dem 16. Jahrhundert ihre Expeditionen in das Amazonasgebiet begannen. Voll bepackt bahnten wir uns den Weg durch das Zentrum zu unserem Hostel, in dem wir den Rest des Tages entspannt auf der Couch verbrachten. Am nächsten Tag führte uns ein Tagesausflug nach 'Kuelap', einer ehemaligen Festung des prähistorischen Andenvolkes der Chachapoya, das auf rund 2.900 Metern Höhe über dem Tal eines Flusses liegt. Da ausgerechnet an jenem Tag die Seilbahn instand gesetzt wurde, mussten wir den Rest des Berges in einer einstündigen Wanderung zu Fuß erklimmen. Kuelap wurde zwischen 800 und 1.300 n. Chr. erbaut und beherbergte auf drei Ebenen über 300 einzelne Häuser. Die Aussage einiger Reisender, dass Kuelap sogar noch beeindruckender sei als 'Machu Picchu', können wir nicht bestätigen - die Festung ist zwar nicht ganz so touristisch wie sein südliches Pendant, dafür aber auch nicht so schön und bei weitem nicht so spektakulär gelegen. Er war zwar ganz interessant, so richtig vom Hocker gehauen hat uns der Ausflug aber nicht.
Nach einer zweiten Nacht im Hostel setzten wir die Fahrt in Richtung Amazonas fort. Geschlagene zehn Stunden saßen wir uns, auf der Sitzbank eines Minivans eingequetscht, den Hintern breit. Nach einer nicht enden wollenden Fahrt im kleinen Örtchen 'Tarapoto' angekommen, stellten wir zu unserem Entsetzen fest, dass an diesem Abend kein Anschlussbus mehr nach 'Yurimaguas' fuhr. Glücklicherweise konnten wir letztlich noch ein Sammeltaxi ergattern, dass uns gemeinsam mit Friedrich, einem Deutschen, den wir im Hostel in Chachapoyas aufgegabelt hatten, zu unserem eineinhalb Fahrtstunden entfernten Ziel brachte. Trotz Reservierung war unser Hostelbesitzer absolut unvorbereitet und sichtlich überrascht, dass wir an diesem Abend noch bei ihm auftauchten. Nach einer geschlagenen Stunde des Wartens konnten wir uns dann schließlich doch noch in den etwas schäbigen Betten des noch im Bau befindlichen Hostels lang machen. So richtig wohl fühlten wir uns alle zwar nicht, für eine Nacht war es aber allemal ok. Yurimaguas liegt am linken Ufer des 'Río Huallaga', einem Quellfluss des Amazonas, im landwirtschaftlich genutzten Gebiet des peruanischen Regenwaldes. Dass wir mittlerweile im Regenwald angekommen waren, merkten wir daran, dass jegliche Insekten, seien es Falter, Kakerlaken oder Käfer, plötzlich doppelt so groß waren, wie normal. Welcome to the jungle!
Am Strand von Mancora |
Nach einer sechsstündigen Tages- sowie einer anschließenden Nachtfahrt in einem glücklicherweise äußerst komfortablen Bus, kamen wir am Morgen im kleinen, auf rund 2.300 Metern Höhe gelegenen Örtchen Chachapoyas an. Die kleinen Holzbalkone, die Aufteilung der Straßen in sogenannte 'Cuadras', die Dächer mit den traditionellen Dachziegeln und der mit Bänken, bunten Blumen und einem bronzenen Brunnen geschmückte Plaza zeugen davon, dass Chachapoyas einst das Zentrum der Kolonialherren in Nordostperu war, von dem aus die spanischen Eroberer ab dem 16. Jahrhundert ihre Expeditionen in das Amazonasgebiet begannen. Voll bepackt bahnten wir uns den Weg durch das Zentrum zu unserem Hostel, in dem wir den Rest des Tages entspannt auf der Couch verbrachten. Am nächsten Tag führte uns ein Tagesausflug nach 'Kuelap', einer ehemaligen Festung des prähistorischen Andenvolkes der Chachapoya, das auf rund 2.900 Metern Höhe über dem Tal eines Flusses liegt. Da ausgerechnet an jenem Tag die Seilbahn instand gesetzt wurde, mussten wir den Rest des Berges in einer einstündigen Wanderung zu Fuß erklimmen. Kuelap wurde zwischen 800 und 1.300 n. Chr. erbaut und beherbergte auf drei Ebenen über 300 einzelne Häuser. Die Aussage einiger Reisender, dass Kuelap sogar noch beeindruckender sei als 'Machu Picchu', können wir nicht bestätigen - die Festung ist zwar nicht ganz so touristisch wie sein südliches Pendant, dafür aber auch nicht so schön und bei weitem nicht so spektakulär gelegen. Er war zwar ganz interessant, so richtig vom Hocker gehauen hat uns der Ausflug aber nicht.
Kuelap |
Nach einer zweiten Nacht im Hostel setzten wir die Fahrt in Richtung Amazonas fort. Geschlagene zehn Stunden saßen wir uns, auf der Sitzbank eines Minivans eingequetscht, den Hintern breit. Nach einer nicht enden wollenden Fahrt im kleinen Örtchen 'Tarapoto' angekommen, stellten wir zu unserem Entsetzen fest, dass an diesem Abend kein Anschlussbus mehr nach 'Yurimaguas' fuhr. Glücklicherweise konnten wir letztlich noch ein Sammeltaxi ergattern, dass uns gemeinsam mit Friedrich, einem Deutschen, den wir im Hostel in Chachapoyas aufgegabelt hatten, zu unserem eineinhalb Fahrtstunden entfernten Ziel brachte. Trotz Reservierung war unser Hostelbesitzer absolut unvorbereitet und sichtlich überrascht, dass wir an diesem Abend noch bei ihm auftauchten. Nach einer geschlagenen Stunde des Wartens konnten wir uns dann schließlich doch noch in den etwas schäbigen Betten des noch im Bau befindlichen Hostels lang machen. So richtig wohl fühlten wir uns alle zwar nicht, für eine Nacht war es aber allemal ok. Yurimaguas liegt am linken Ufer des 'Río Huallaga', einem Quellfluss des Amazonas, im landwirtschaftlich genutzten Gebiet des peruanischen Regenwaldes. Dass wir mittlerweile im Regenwald angekommen waren, merkten wir daran, dass jegliche Insekten, seien es Falter, Kakerlaken oder Käfer, plötzlich doppelt so groß waren, wie normal. Welcome to the jungle!
Yurimaguas |
Unser Plan war es, mit einem Frachtschiff auf dem Amazonas entlang bis in die größte Stadt des peruanischen Regenwaldgebietes 'Iquitos' zu gelangen. Mit einem Tuk Tuk (einer Art Autorikscha) fuhren wir zunächst in den Hafen von Yurimaguas, um uns über die Abfahrtzeiten und Preise der verschiedenen Schiffe zu erkundigen. Eines der Schiffe sollte nach Auskunft des Kapitäns noch am selben Abend ablegen - für uns einfach optimal. Für die Fahrt nach Iquitos, die etwa drei Tage und zwei Nächte dauern sollte, wurden (inklusive drei Mahlzeiten am Tag) umgerechnet nur dreißig Euro verlangt und da wir zu fünft waren, konnten wir den Kapitän sogar noch auf fünfundzwanzig Euro pro Person herunterhandeln. Geschlafen wird auf dem Unter- oder dem Oberdeck, wo man es sich entweder auf dem Boden oder in seiner Hängematte gemütlich machen kann. Wir buchten uns neben den normalen Tickets zusätzlich noch eine Schlafkabine, die wir allerdings lediglich zur Aufbewahrung unserer Rucksäcke nutzten. Nachdem wir im Hostel unsere Sachen packten und diese zurück aufs Schiff brachten, hatten wir noch ein paar Stunden Zeit, ein paar Besorgungen zu machen - bei drei Tagen auf einem Frachtschiff will man schließlich nicht an Süßigkeiten-Mangel und schon gar nicht an Unterhopfung sterben. Rechtzeitig fanden wir uns um kurz vor 17 Uhr wieder an Bord des Schiffes ein - von Aufbruchstimmung war hier allerdings noch nichts zu spüren. Wie die Ameisen luden rund 50 Peruaner einen Lkw nach dem anderen aus und brachten die Ware an Bord des Schiffes. Von Reissäcken über Bananenstauden, bis hin zu lebendigem Vieh und unendlich vielen Hühnereiern war alles dabei und wenn man dachte, viel mehr würde gar nicht mehr aufs Schiff passen, machte sich schon der nächste Lkw zur Entladung bereit. Als wir um 19 Uhr, zwei Stunden nach der geplanten Abfahrtzeit, noch immer nicht ablegten, hatten wir den Braten endlich gerochen: Eigentlich gab es gar keine genaue Abfahrtzeit - das Boot würde vermutlich erst ablegen, wenn keine Waren mehr drauf passten. Und das konnte noch dauern. Auf Nachfrage erklärte uns der Kapitän, dass wir wohl erst am nächsten Morgen ablegen würden. Wir nutzten die Gunst der Stunde und fuhren kurzerhand nochmal mit dem Tuk Tuk in die Innenstadt. In einem kleinen Restaurant ließen wir uns ein leckeres Abendessen schmecken, bevor es zurück an Bord ging. Als wir nach einer ersten Nacht in der Hängematte am frühen Morgen gespannt auf die Abfahrt warteten, bot sich uns - ihr werdet es erahnen - noch immer dasselbe Bild: Sack für Sack und Kiste für Kiste wurde über die langen Holzbohlen aufs Schiff getragen. Nach ein paar weiteren Stunden des Wartens legten wir schließlich am frühen Nachmittag mit rund einem Tag Verspätung ab. Auch wenn wir es nicht eilig hatten, wir waren trotzdem mehr als froh, dass es nun endlich losging.
Als wir losfuhren, wandelte sich die Atmosphäre an Bord schlagartig von 'hektisch' in 'entspannt'. Wer nicht weltmännisch an der Reling stand, um mit Blick auf den Horizont über das Leben nachzudenken, lag seelenruhig in seiner Hängematte, las ein Buch oder döste vor sich hin. Es gab schlicht nichts zu tun und das war das Großartige an der Sache. Mal ein paar Tage ohne Autolärm, ohne Strom und ohne Smartphone die Seele baumeln lassen und dabei langsam auf dem Amazonas immer tiefer in den Regenwald schippern, das tat uns allen mehr als gut. Immer wieder hielten wir für ein paar Minuten in winzig kleinen Dörfern an, damit deren Bewohner ihre Ware (in der Regel Obst) aufs Schiff laden und später in Iquitos verkaufen konnten. Selbst nachts kamen ein paar Männer in winzigen Schnellbooten angefahren und luden während der Fahrt ihre Ware um. Zuvor hatten sie vermutlich über mehrere Stunden mit der Taschenlampe am Rand des Flusses gesessen und auf den Moment gewartet, in dem unser Frachtschiff an ihrem Dorf vorbeifuhr. Es war immer wieder spannend, dieses Schauspiel zu beobachten. Tagsüber verbrachten wir viel Zeit mit ein paar unglaublich lieben peruanischen Kindern, die sich offensichtlich lieber bei uns Backpackern, als bei ihren Eltern aufhielten. Sie inspirierten uns mit ihrer offenen und lustigen Art und hielten uns mit ihren unendlich vielen Fragen (natürlich auf Spanisch) ganz schön auf Trapp. Wenn in einem Dorf ein paar Verkäufer aufs Boot gestürmt kamen, zauberten wir den Kids mit einer Wassermelone oder ein paar Schokoladen-Muffins ein Lächeln ins Gesicht. Die vierzehnjährige 'Rachel' nahm von Beginn an meine Spiegelreflexkamera in Beschlag - es war wohl das erste Mal überhaupt, dass sie eine Kamera in der Hand hielt. Sie hatte einen derartigen Spaß am Fotografieren, dass ich ihr die Kamera am liebsten geschenkt hätte - es wäre aber sicher nicht zielführend gewesen, da ihre aus recht armen Verhältnissen stammenden Eltern sie vermutlich sofort wieder verkauft hätten. Zumindest hat das Mädchen wohl ihren Traumberuf entdeckt und wer weiß, vielleicht hat sie ja irgendwann mal die Möglichkeit, Fotografin zu werden - wir würden es ihr wünschen.
Zwar mussten wir in den Tagen an Bord auf jeglichen Komfort verzichten, das machte aber auch den Reiz aus. In unseren Hängematten schliefen wir besser als gedacht und auch das Essen war in der Regel durchaus genießbar. Die Toiletten waren zugegebenermaßen äußerst dürftig und die in der selben Kabine vorhandenen 'Duschen' bestanden eigentlich nur aus einem Stück Rohr, aus dem sich bei Bedarf eine grün-braune Flusswasserbrühe ergoss. Darauf konnten wir getrost verzichten und so nutzten wir stattdessen einen ordentlichen Regenguss, um uns auf dem Oberdeck etwas frisch zu machen. Insgesamt waren geschätzte einhundertfünfzig Passagiere an Bord, ein Großteil davon Peruaner. Mit einigen von ihnen verstanden wir uns auf Anhieb so gut, dass wir bis spät in die Nacht gemeinsam an Deck saßen. "Keine Termine und leicht einen sitzen" - Harald Juhnkes Definition von Glück sprach uns aus der Seele. Wir unterhielten uns so gut es ging auf Spanisch und nach jedem Drink schien es besser zu klappen. Zwar mussten wir teilweise unsere Hände und Füße zu Hilfe nehmen, am Ende konnten wir uns aber doch immer irgendwie verständigen.
Was wir an Bord des Schiffes als äußerst schockierend empfanden, war die Tatsache, dass viele der Peruaner immer wieder Müll über die Reling warfen. Wenn die Cola ausgetrunken war, landete die leere Flasche blindlings im Amazonas - aus den Augen aus dem Sinn. Was bei uns für absolutes Unverständnis sorgt, scheint für manche Menschen ganz normal zu sein - ob daran wirklich nur mangelnde Aufklärung oder aber schlichte Ignoranz schuld sind, wir wissen es nicht. Unseren kleinen peruanischen Schützlingen versuchten wir indes die Folgen eines solchen Handelns zu erklären und sie davon zu überzeugen, es den Erwachsenen nicht gleichzutun. Am Ende schmissen sie ihren Müll tatsächlich ganz brav dorthin, wo er hin gehört. Die meisten Passagiere gingen in 'Nauta' an Land, wo sie auf die etwas schnellere Busverbindung nach Iquitos umstiegen. Wir hingegen blieben auch die letzten sechs Stunden an Bord und genossen auf einem fast leeren Boot die letzten Abendstunden. Kurz nach Sonnenuntergang kamen wir schließlich in Iquitos an - der größten Stadt der Welt, die nur mit dem Flugzeug oder mit dem Boot erreichbar ist. Es waren unglaublich abenteuerliche vier Tage, die wir auf dem Frachtschiff verbrachten. Wir erlebten hautnah, wie die Menschen im Amazonas-Gebiet leben und was es heißt, für rund vierhundert Kilometer Luftlinie vier Tage unterwegs zu sein. Trotz, oder gerade wegen des mangelnden Komforts und des Überangebots an Zeit, in der wir nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten, wurden unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Seit dem denken wir fast jeden Tag an dieses Abenteuer zurück - sicherlich eines der bisherigen Highlights auf unserer Reise.
Vom Hafen in Iquitos fuhren wir mit dem Tuk Tuk zu einem Hostel, das sich Friedrich bereits im Voraus herausgesucht hatte. Während sich Marija und David ein Zweibettzimmer gönnten, bezogen wir unsere Betten in einem Mehrbettzimmer. Nach vier Nächten in der Hängematte freuten wir uns alle auf eine erfrischende Dusche und ein richtiges Bett. Iquitos selbst ist keineswegs eine kleine Stadt. Auch wenn sie, mitten im Regenwald gelegen, fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist, lassen die rund 400.000 Einwohner für peruanische Verhältnisse fast ein wenig Großstadt-Flair aufkommen. Auf den Straßen herrscht durch die vielen Taxis und Motorräder ein unheimliches Gewusel, an das man sich erst einmal gewöhnen muss. Wie vielen anderen Reisenden, sollte die Stadt auch uns als Ausgangspunkt für eine dreitägige Tour in den Dschungel dienen. Unsere Suche nach einem geeigneten Tourenanbieter verlief zunächst nicht gerade zufriedenstellend - überall hatten wir das Gefühl, mehr oder weniger über den Tisch gezogen zu werden. Letztlich buchten wir bei einem Mann, der uns schon in unserem Hostel mit reichlich Informationen versorgt hatte und der uns schlicht am seriösesten vorkam. Da es bereits am nächsten Morgen losgehen sollte, nutzten wir den Nachmittag für ein paar letzte Besorgungen im Supermarkt. Um sieben Uhr früh wurden wir dann von zwei Mototaxis abgeholt und zum Hafen von Iquitos gebracht. Dort lernten wir unseren zugegebenermaßen schon etwas in die Jahre gekommenen Guide 'Pepe' kennen, der uns für die nächsten drei Tage an die Hand nehmen und uns 'seinen' Dschungel zeigen sollte. Am Hafen von Iquitos befindet sich ein kleiner Markt, der überwiegend von Einheimischen besucht wird und auf dem es wohl nichts gibt, was es nicht gibt. Von gebratenem Kaiman, über gegrillte Maden bis hin zu gekochten Schildkröteneiern kann man alles kaufen, was der Magen eines Peruaners begehrt. Beim Anblick der vielen Spezialitäten fragten wir uns ernsthaft, ob denn im Dschungel überhaupt noch Tiere lebten. Die Augen unseres Guides hingegen begannen zu leuchten und als wir nach einer kleinen Kostprobe eines Madenspießes die Nase rümpften und ihm das verbliebene, nach gegrillter Rotznase schmeckende Kriechtier anboten, wäre er uns vor Freude fast um den Hals gefallen. Nach seiner Aussage essen sie im Dschungel alles, was mit dem Rücken zum Himmel zeigt - und noch so einiges mehr. Als er anfing von Affenhirn zu schwärmen, waren wir bedient. Das war wirklich mehr Information, als wir haben wollten.
Der Markt war das letzte Stückchen Zivilisation, dass wir in den nächsten drei Tagen erleben sollten. Mit einem Tagesrucksack auf dem Rücken bestiegen wir ein kleines Boot und fuhren etwa eineinhalb Stunden auf dem Amazonas entlang flussabwärts. Nachdem wir in einem kleinen Eco-Camp unsere spärlich aber ausreichend ausgestatteten 'Zimmer' bezogen, starteten wir mit unserem Guide auch schon unseren ersten Buschwalk. Der große Leguan, der kurz nach unserer Ankunft durch unseren Vorgarten spazierte, legte die Messlatte für unsere Erwartungen entsprechend hoch. Wir sprühten vor Abenteuerlust und freuten uns auf riesige Spinnen, giftige Schlangen, furchteinflössende Krokodile und farbenfrohe Papageien - also auf alles, was ein richtiger Dschungel so zu bieten haben sollte. Die erste Bilanz nach ein paar Kilometern durch den Urwald war allerdings ernüchternd: Keine Schlangen, keine Papageien - wir sahen nicht mal eine einzige Spinne, die größer war als ein 5 Markstück. Don Pepe schien es nicht sonderlich zu interessieren, dass wir in unseren Gummistiefeln leichte Probleme hatten, Anschluss zu halten. Mit seiner Machete bewaffnet preschte er durch den Dschungel, so dass wir rechts und links lediglich eine vorbeifliegende Buschlandschaft wahrnahmen. Hätten wir nicht wegen eines wild gewordenen Bienenschwarms und ein paar Termiten in Nadines Haar ein paar Zwischenstopps einlegen müssen, wir hätten die Route wohl in neuer Rekordzeit beendet. Auf dem Rückweg bekamen wir wenigstens noch ein paar Affen zu Gesicht. Zumindest sagte Pepe, es seien Affen gewesen - sie waren nämlich so weit weg, dass wir sie eigentlich gar nicht genau erkennen konnten. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, da bekamen wir zurück im Camp dann wenigstens noch ein Zwergseidenäffchen (man höre und staune - der kleinste Affe der Welt) zu Gesicht. Neugierig kletterte es unter dem Dach des Gemeinschaftsbereiches entlang und freute sich über unsere Anwesenheit.
Bevor wir ins Bett gingen, überredete uns unser Guide noch zu einer Nachtwanderung. Nachts seien viel mehr Tiere unterwegs und die Chance, Spinnen und Schlangen zu sehen, wäre um einiges höher! Wer's glaubt, wird selig. Mit ein paar Taschenlampen bewaffnet ging es also erneut auf die Pirsch. Als wir uns die Lampe auf Pepe's Anweisung hin direkt vor die Stirn hielten, konnten wir tatsächlich unzählige grüne Punkte sehen. Die Tatsache, dass es sich bei den grünen Punkten um Spinnenaugen handelte, die das Licht der Taschenlampe reflektierten, war zugegebenermaßen etwas gruselig - die Spinnen waren allerdings derart klein, dass sie kaum von einer europäischen Hausspinne zu unterscheiden waren. Der erste Tag sollte uns wohl einfach nicht das bieten, was wir erwartet hatten. Etwas enttäuscht verkrochen wir uns anschließend unter unserem Moskitonetz und ließen den Dschungel Dschungel sein - es konnte nur besser werden.
Zur geführten Morgenwanderung um fünf Uhr früh hatten es lediglich Nadine und ich aus den Betten geschafft - während wir von Don Pepe über eine Stunde lang auf der vergeblichen Suche nach Wildvögeln durchs Dickicht gejagt wurden, lagen die anderen noch gemütlich in ihrer Hütte und schnarchten. Die Stimmung drohte zu kippen - gab es hier überhaupt wilde Tiere oder hatten wir einfach nur unglaublich viel Pech? Unsere Unzufriedenheit konnten wir nicht verstecken und so entschied sich unser Guide zu einer kleinen Planänderung. Er brachte uns kurzerhand mit dem Boot zur sogenannten 'Affen-Insel', auf der man sich für zwei Dollar ein paar verwaiste Affenbabys anschauen kann. Was erst einmal recht unspektakulär klingt, war im Nachhinein wohl eines der Highlights unserer Tour. Die Affen waren derart zutraulich, dass sie uns am liebsten gar nicht mehr losließen. Letzteres beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Auf der Insel waren neben unterschiedlichen Affenarten auch noch ein brasilianischer Riesenpapagei sowie ein seinem Namen völlig gerecht werdendes und unglaublich flauschiges Faultier zu Hause. Wir schossen ein paar schöne Erinnerungsfotos und hatten am Ende das erste Mal ein freudiges Strahlen auf unseren Gesichtern.
Anschließend gingen wir zum vermeintlich abenteuerlichsten Teil unserer Tour über. Mit dem Boot fuhren wir in einen kleinen Seitenarm des Amazonas und gingen gegenüber der Hütte eines Freundes von Pepe an Land. Hier sollten wir unser Lager aufschlagen, um mitten im Dschungel zu übernachten. Um Platz für unsere Zelte zu schaffen, mussten wir erst einmal ein paar Quadratmeter Regenwald abholzen. Nein, keine Angst - so schlimm war es nicht. Pepe versicherte uns, dass die von uns geschaffene Freifläche schon in ein paar Wochen wieder genauso aussehen würde, wie vorher. Wer's glaubt, wird selig. Mit einer Machete hackten wir alles kurz und klein, rammten Baumstämme in den Boden und bauten uns so für den Fall eines nächtlichen Regengusses eine kleine Überdachung. Anfangs machte es richtig Spaß den Robinson Crusoe zu spielen. Solange wir bei etwas Fahrtwind entspannt im Boot gesessen hatten, war die hohe Luftfeuchtigkeit gut zu ertragen - nach ein paar Minuten körperlicher Betätigung sah die Sache jedoch schon anders aus. Wäre uns der Schweiß nicht in Bächen den Körper hinuntergelaufen, hätten wir uns wohl etwas mehr Mückenschutz gegönnt - so machte es aber kaum einen Sinn. Die Quittung folgte umgehend. Während die anderen mit der Situation recht gut umgehen konnten, war es mir in diesem Moment zugegebenermaßen einfach etwas zu viel. Ich verfluchte die Mücken, den Schweiß, die verdammte Dschungeltour - einfach alles. Während wir unser Lager fertig stellten, saßen die Mädels gemeinsam mit den Nachbarn an einer Feuerstelle und zauberten uns allen ein relativ leckeres Essen. Naja, in der Natur schmeckt eben alles. Nach dem Essen machten wir uns noch einmal mit dem Boot auf - auf einer kleinen Fahrt durch die Finsternis zeigte uns Pepes Freund die Kunst des Speerfischens. Hört sich spektakulär an, war es aber nicht. Fünf winzige Fische war dann immerhin die Ausbeute eines eineinhalbstündigen Ausfluges.
Zurück im Camp setzten wir uns noch gemeinsam ans Lagerfeuer. Zwar trieben uns (mich) die Mücken noch immer in den Wahnsinn, dafür war es inzwischen aber deutlich kühler und somit besser zu ertragen. Als David und Friedrich jeweils ein Fläschchen Rum aus dem Ärmel zauberten, war schließlich auch für mich die Welt wieder in Ordnung. Sobald die Sonne untergegangen und das Feuer erloschen war, wurde es im Dschungel stockfinster. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch lagen wir in unserem Innenzelt und lauschten der unglaublichen Geräuschkulisse, die immer wieder für einen winzigen Moment von einem lauten Kreischen unterbrochen wurde. Überall zischte, zirpte und züngelte es - dass der Wald voller Tiere war, daran bestand mittlerweile kein Zweifel mehr. Auch wenn uns unser Zelt keine hundertprozentige Sicherheit gab, wir waren trotzdem froh, einen kleinen Schutz vor den unendlich vielen Kriechtieren zu haben. Ein paar überlange Regenwürmer, die es sich auf unseren Kopfkissen gemütlich gemacht hatten, waren glücklicherweise die einzigen ungewollten Gäste, die es ins Innere unseres Zeltes schafften. Die Nacht war recht kurz - um fünf Uhr früh wurden wir von Don Pepe aus dem Schlaf gerüttelt. Wir bauten unsere Zelte ab und machten uns mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und der Freude darüber, dass wir die Nacht in der Wildnis überlebt hatten, auf den Rückweg. Der Weg führte uns, diesmal auf dem Landweg, einen schmalen Pfad entlang und durchs Gebüsch hindurch, hinüber zum anderen Ufer. Beim Tempo unseres Guides fühlten wir uns in den Moment unserer ersten Dschungelwanderung zurückversetzt - zu schnell, um es auch nur ansatzweise genießen zu können. Nach einer einstündigen Hetzjagd wurden wir am Ufer des Amazonas von einem Bootstaxi abgeholt. Das Taxi fuhr uns zum Grundstück einer Familie, die auf ihrem Gelände Schnaps herstellte. In einer recht anschaulichen kleinen Tour wurden uns die Grundlagen der Zuckerrohrverarbeitung nah gebracht, bevor es zum zweiten Highlight unserer Dschungeltour ging: Der Schnapsverkostung. Leicht angeheitert saßen wir eine halbe Stunde später schon wieder im Boot und hielten ein paar selbst gebastelte Angelrouten in den Fluss. Auch diesen Teil der Tour (im Voraus als 'Piranha-Fischen' angepriesen), hatten wir uns eigentlich etwas spektakulärer vorgestellt. Nach geschlagenen dreißig Minuten hatten wir noch immer keinen einzigen Piranha am Haken - statt 'Hund', waren wir wieder einmal nur 'Baum'. Auf der Rückfahrt zum Eco-Camp hatten wir dann letztlich noch das Glück, ein paar pinke Flussdelfine zu Gesicht zu bekommen. Zwar wurde es nichts mit dem Versprechen des Tourenanbieters, 'mit pinken Delfinen schwimmen zu gehen', sie zu sehen, hat uns ehrlich gesagt aber auch völlig gereicht. Das Fazit unser dreitägigen Tour fiel nicht besonders positiv aus. Vielleicht hatten wir schlicht zu hohe Erwartungen oder waren nach all den Erlebnissen unserer Reise einfach nicht mehr so schnell zu begeistern. Das Hauptproblem lag unserer Meinung nach aber schlicht darin, dass der peruanische Teil des Amazonas-Gebietes einfach schon zu dicht besiedelt ist. Dort wo sich Menschen eine Hütte bauen und unaufhörlich exotische Tiere jagen, um sie ein paar Kilometer weiter auf dem Markt zu verkaufen, da ist für uns Touristen einfach nicht mehr viel zu sehen. Es war der krasse Gegensatz zu dem, was wir ein paar Wochen zuvor auf den Galápagos-Inseln erlebt hatten, wo Tiere ungestört und ohne Eingreifen des Menschen ein friedliches Dasein führen. Wir hätten wohl viel weiter in den unzivilisierten Teil des Dschungels vordringen müssen, um ein richtiges Amazonas-Abenteuer zu erleben. So wird uns der Ausflug ins Grüne aber eher als eine ewige Suche nach wilden Tieren in Erinnerung bleiben, bei der zumindest die Gesellschaft gestimmt hat. Ohne 'El Gigante', Marija und 'Rulos' (die Spitznamen hatten sie von den Kindern auf dem Frachtschiff bekommen) wäre die Tour sicher nur halb so witzig gewesen.
Zurück in Iquitos genossen wir skurriler weise das, was wir in den drei Tagen zuvor bemängelt hatten - die Zivilisation. Bei Steak und Bier ließen wir die letzten Tage Revue passieren und plauderten über das Erlebte. Bevor wir am nächsten Tag zusammen mit Friedrich einen Flieger zurück nach Lima nahmen, schlenderten wir noch über den 'Mercado Central', kochten uns im Hostel ein leckeres Mittagessen und bestaunten am Abend das neue Apartment unser Schweizer Freunde, die noch ein paar Tage länger in Iquitos blieben.
Zwar mussten wir in den Tagen an Bord auf jeglichen Komfort verzichten, das machte aber auch den Reiz aus. In unseren Hängematten schliefen wir besser als gedacht und auch das Essen war in der Regel durchaus genießbar. Die Toiletten waren zugegebenermaßen äußerst dürftig und die in der selben Kabine vorhandenen 'Duschen' bestanden eigentlich nur aus einem Stück Rohr, aus dem sich bei Bedarf eine grün-braune Flusswasserbrühe ergoss. Darauf konnten wir getrost verzichten und so nutzten wir stattdessen einen ordentlichen Regenguss, um uns auf dem Oberdeck etwas frisch zu machen. Insgesamt waren geschätzte einhundertfünfzig Passagiere an Bord, ein Großteil davon Peruaner. Mit einigen von ihnen verstanden wir uns auf Anhieb so gut, dass wir bis spät in die Nacht gemeinsam an Deck saßen. "Keine Termine und leicht einen sitzen" - Harald Juhnkes Definition von Glück sprach uns aus der Seele. Wir unterhielten uns so gut es ging auf Spanisch und nach jedem Drink schien es besser zu klappen. Zwar mussten wir teilweise unsere Hände und Füße zu Hilfe nehmen, am Ende konnten wir uns aber doch immer irgendwie verständigen.
Was wir an Bord des Schiffes als äußerst schockierend empfanden, war die Tatsache, dass viele der Peruaner immer wieder Müll über die Reling warfen. Wenn die Cola ausgetrunken war, landete die leere Flasche blindlings im Amazonas - aus den Augen aus dem Sinn. Was bei uns für absolutes Unverständnis sorgt, scheint für manche Menschen ganz normal zu sein - ob daran wirklich nur mangelnde Aufklärung oder aber schlichte Ignoranz schuld sind, wir wissen es nicht. Unseren kleinen peruanischen Schützlingen versuchten wir indes die Folgen eines solchen Handelns zu erklären und sie davon zu überzeugen, es den Erwachsenen nicht gleichzutun. Am Ende schmissen sie ihren Müll tatsächlich ganz brav dorthin, wo er hin gehört. Die meisten Passagiere gingen in 'Nauta' an Land, wo sie auf die etwas schnellere Busverbindung nach Iquitos umstiegen. Wir hingegen blieben auch die letzten sechs Stunden an Bord und genossen auf einem fast leeren Boot die letzten Abendstunden. Kurz nach Sonnenuntergang kamen wir schließlich in Iquitos an - der größten Stadt der Welt, die nur mit dem Flugzeug oder mit dem Boot erreichbar ist. Es waren unglaublich abenteuerliche vier Tage, die wir auf dem Frachtschiff verbrachten. Wir erlebten hautnah, wie die Menschen im Amazonas-Gebiet leben und was es heißt, für rund vierhundert Kilometer Luftlinie vier Tage unterwegs zu sein. Trotz, oder gerade wegen des mangelnden Komforts und des Überangebots an Zeit, in der wir nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten, wurden unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Seit dem denken wir fast jeden Tag an dieses Abenteuer zurück - sicherlich eines der bisherigen Highlights auf unserer Reise.
Vom Hafen in Iquitos fuhren wir mit dem Tuk Tuk zu einem Hostel, das sich Friedrich bereits im Voraus herausgesucht hatte. Während sich Marija und David ein Zweibettzimmer gönnten, bezogen wir unsere Betten in einem Mehrbettzimmer. Nach vier Nächten in der Hängematte freuten wir uns alle auf eine erfrischende Dusche und ein richtiges Bett. Iquitos selbst ist keineswegs eine kleine Stadt. Auch wenn sie, mitten im Regenwald gelegen, fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist, lassen die rund 400.000 Einwohner für peruanische Verhältnisse fast ein wenig Großstadt-Flair aufkommen. Auf den Straßen herrscht durch die vielen Taxis und Motorräder ein unheimliches Gewusel, an das man sich erst einmal gewöhnen muss. Wie vielen anderen Reisenden, sollte die Stadt auch uns als Ausgangspunkt für eine dreitägige Tour in den Dschungel dienen. Unsere Suche nach einem geeigneten Tourenanbieter verlief zunächst nicht gerade zufriedenstellend - überall hatten wir das Gefühl, mehr oder weniger über den Tisch gezogen zu werden. Letztlich buchten wir bei einem Mann, der uns schon in unserem Hostel mit reichlich Informationen versorgt hatte und der uns schlicht am seriösesten vorkam. Da es bereits am nächsten Morgen losgehen sollte, nutzten wir den Nachmittag für ein paar letzte Besorgungen im Supermarkt. Um sieben Uhr früh wurden wir dann von zwei Mototaxis abgeholt und zum Hafen von Iquitos gebracht. Dort lernten wir unseren zugegebenermaßen schon etwas in die Jahre gekommenen Guide 'Pepe' kennen, der uns für die nächsten drei Tage an die Hand nehmen und uns 'seinen' Dschungel zeigen sollte. Am Hafen von Iquitos befindet sich ein kleiner Markt, der überwiegend von Einheimischen besucht wird und auf dem es wohl nichts gibt, was es nicht gibt. Von gebratenem Kaiman, über gegrillte Maden bis hin zu gekochten Schildkröteneiern kann man alles kaufen, was der Magen eines Peruaners begehrt. Beim Anblick der vielen Spezialitäten fragten wir uns ernsthaft, ob denn im Dschungel überhaupt noch Tiere lebten. Die Augen unseres Guides hingegen begannen zu leuchten und als wir nach einer kleinen Kostprobe eines Madenspießes die Nase rümpften und ihm das verbliebene, nach gegrillter Rotznase schmeckende Kriechtier anboten, wäre er uns vor Freude fast um den Hals gefallen. Nach seiner Aussage essen sie im Dschungel alles, was mit dem Rücken zum Himmel zeigt - und noch so einiges mehr. Als er anfing von Affenhirn zu schwärmen, waren wir bedient. Das war wirklich mehr Information, als wir haben wollten.
Markt in Iquitos: Kaiman (oben) und Schildkröteneier (unten) |
Der Markt war das letzte Stückchen Zivilisation, dass wir in den nächsten drei Tagen erleben sollten. Mit einem Tagesrucksack auf dem Rücken bestiegen wir ein kleines Boot und fuhren etwa eineinhalb Stunden auf dem Amazonas entlang flussabwärts. Nachdem wir in einem kleinen Eco-Camp unsere spärlich aber ausreichend ausgestatteten 'Zimmer' bezogen, starteten wir mit unserem Guide auch schon unseren ersten Buschwalk. Der große Leguan, der kurz nach unserer Ankunft durch unseren Vorgarten spazierte, legte die Messlatte für unsere Erwartungen entsprechend hoch. Wir sprühten vor Abenteuerlust und freuten uns auf riesige Spinnen, giftige Schlangen, furchteinflössende Krokodile und farbenfrohe Papageien - also auf alles, was ein richtiger Dschungel so zu bieten haben sollte. Die erste Bilanz nach ein paar Kilometern durch den Urwald war allerdings ernüchternd: Keine Schlangen, keine Papageien - wir sahen nicht mal eine einzige Spinne, die größer war als ein 5 Markstück. Don Pepe schien es nicht sonderlich zu interessieren, dass wir in unseren Gummistiefeln leichte Probleme hatten, Anschluss zu halten. Mit seiner Machete bewaffnet preschte er durch den Dschungel, so dass wir rechts und links lediglich eine vorbeifliegende Buschlandschaft wahrnahmen. Hätten wir nicht wegen eines wild gewordenen Bienenschwarms und ein paar Termiten in Nadines Haar ein paar Zwischenstopps einlegen müssen, wir hätten die Route wohl in neuer Rekordzeit beendet. Auf dem Rückweg bekamen wir wenigstens noch ein paar Affen zu Gesicht. Zumindest sagte Pepe, es seien Affen gewesen - sie waren nämlich so weit weg, dass wir sie eigentlich gar nicht genau erkennen konnten. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, da bekamen wir zurück im Camp dann wenigstens noch ein Zwergseidenäffchen (man höre und staune - der kleinste Affe der Welt) zu Gesicht. Neugierig kletterte es unter dem Dach des Gemeinschaftsbereiches entlang und freute sich über unsere Anwesenheit.
David und Marija (oben) |
Zwergseidenäffchen |
Zur geführten Morgenwanderung um fünf Uhr früh hatten es lediglich Nadine und ich aus den Betten geschafft - während wir von Don Pepe über eine Stunde lang auf der vergeblichen Suche nach Wildvögeln durchs Dickicht gejagt wurden, lagen die anderen noch gemütlich in ihrer Hütte und schnarchten. Die Stimmung drohte zu kippen - gab es hier überhaupt wilde Tiere oder hatten wir einfach nur unglaublich viel Pech? Unsere Unzufriedenheit konnten wir nicht verstecken und so entschied sich unser Guide zu einer kleinen Planänderung. Er brachte uns kurzerhand mit dem Boot zur sogenannten 'Affen-Insel', auf der man sich für zwei Dollar ein paar verwaiste Affenbabys anschauen kann. Was erst einmal recht unspektakulär klingt, war im Nachhinein wohl eines der Highlights unserer Tour. Die Affen waren derart zutraulich, dass sie uns am liebsten gar nicht mehr losließen. Letzteres beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Auf der Insel waren neben unterschiedlichen Affenarten auch noch ein brasilianischer Riesenpapagei sowie ein seinem Namen völlig gerecht werdendes und unglaublich flauschiges Faultier zu Hause. Wir schossen ein paar schöne Erinnerungsfotos und hatten am Ende das erste Mal ein freudiges Strahlen auf unseren Gesichtern.
Friedrich alias 'El Gigante' (links) |
Anschließend gingen wir zum vermeintlich abenteuerlichsten Teil unserer Tour über. Mit dem Boot fuhren wir in einen kleinen Seitenarm des Amazonas und gingen gegenüber der Hütte eines Freundes von Pepe an Land. Hier sollten wir unser Lager aufschlagen, um mitten im Dschungel zu übernachten. Um Platz für unsere Zelte zu schaffen, mussten wir erst einmal ein paar Quadratmeter Regenwald abholzen. Nein, keine Angst - so schlimm war es nicht. Pepe versicherte uns, dass die von uns geschaffene Freifläche schon in ein paar Wochen wieder genauso aussehen würde, wie vorher. Wer's glaubt, wird selig. Mit einer Machete hackten wir alles kurz und klein, rammten Baumstämme in den Boden und bauten uns so für den Fall eines nächtlichen Regengusses eine kleine Überdachung. Anfangs machte es richtig Spaß den Robinson Crusoe zu spielen. Solange wir bei etwas Fahrtwind entspannt im Boot gesessen hatten, war die hohe Luftfeuchtigkeit gut zu ertragen - nach ein paar Minuten körperlicher Betätigung sah die Sache jedoch schon anders aus. Wäre uns der Schweiß nicht in Bächen den Körper hinuntergelaufen, hätten wir uns wohl etwas mehr Mückenschutz gegönnt - so machte es aber kaum einen Sinn. Die Quittung folgte umgehend. Während die anderen mit der Situation recht gut umgehen konnten, war es mir in diesem Moment zugegebenermaßen einfach etwas zu viel. Ich verfluchte die Mücken, den Schweiß, die verdammte Dschungeltour - einfach alles. Während wir unser Lager fertig stellten, saßen die Mädels gemeinsam mit den Nachbarn an einer Feuerstelle und zauberten uns allen ein relativ leckeres Essen. Naja, in der Natur schmeckt eben alles. Nach dem Essen machten wir uns noch einmal mit dem Boot auf - auf einer kleinen Fahrt durch die Finsternis zeigte uns Pepes Freund die Kunst des Speerfischens. Hört sich spektakulär an, war es aber nicht. Fünf winzige Fische war dann immerhin die Ausbeute eines eineinhalbstündigen Ausfluges.
Unser Dschungelcamp |
Zurück im Camp setzten wir uns noch gemeinsam ans Lagerfeuer. Zwar trieben uns (mich) die Mücken noch immer in den Wahnsinn, dafür war es inzwischen aber deutlich kühler und somit besser zu ertragen. Als David und Friedrich jeweils ein Fläschchen Rum aus dem Ärmel zauberten, war schließlich auch für mich die Welt wieder in Ordnung. Sobald die Sonne untergegangen und das Feuer erloschen war, wurde es im Dschungel stockfinster. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch lagen wir in unserem Innenzelt und lauschten der unglaublichen Geräuschkulisse, die immer wieder für einen winzigen Moment von einem lauten Kreischen unterbrochen wurde. Überall zischte, zirpte und züngelte es - dass der Wald voller Tiere war, daran bestand mittlerweile kein Zweifel mehr. Auch wenn uns unser Zelt keine hundertprozentige Sicherheit gab, wir waren trotzdem froh, einen kleinen Schutz vor den unendlich vielen Kriechtieren zu haben. Ein paar überlange Regenwürmer, die es sich auf unseren Kopfkissen gemütlich gemacht hatten, waren glücklicherweise die einzigen ungewollten Gäste, die es ins Innere unseres Zeltes schafften. Die Nacht war recht kurz - um fünf Uhr früh wurden wir von Don Pepe aus dem Schlaf gerüttelt. Wir bauten unsere Zelte ab und machten uns mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und der Freude darüber, dass wir die Nacht in der Wildnis überlebt hatten, auf den Rückweg. Der Weg führte uns, diesmal auf dem Landweg, einen schmalen Pfad entlang und durchs Gebüsch hindurch, hinüber zum anderen Ufer. Beim Tempo unseres Guides fühlten wir uns in den Moment unserer ersten Dschungelwanderung zurückversetzt - zu schnell, um es auch nur ansatzweise genießen zu können. Nach einer einstündigen Hetzjagd wurden wir am Ufer des Amazonas von einem Bootstaxi abgeholt. Das Taxi fuhr uns zum Grundstück einer Familie, die auf ihrem Gelände Schnaps herstellte. In einer recht anschaulichen kleinen Tour wurden uns die Grundlagen der Zuckerrohrverarbeitung nah gebracht, bevor es zum zweiten Highlight unserer Dschungeltour ging: Der Schnapsverkostung. Leicht angeheitert saßen wir eine halbe Stunde später schon wieder im Boot und hielten ein paar selbst gebastelte Angelrouten in den Fluss. Auch diesen Teil der Tour (im Voraus als 'Piranha-Fischen' angepriesen), hatten wir uns eigentlich etwas spektakulärer vorgestellt. Nach geschlagenen dreißig Minuten hatten wir noch immer keinen einzigen Piranha am Haken - statt 'Hund', waren wir wieder einmal nur 'Baum'. Auf der Rückfahrt zum Eco-Camp hatten wir dann letztlich noch das Glück, ein paar pinke Flussdelfine zu Gesicht zu bekommen. Zwar wurde es nichts mit dem Versprechen des Tourenanbieters, 'mit pinken Delfinen schwimmen zu gehen', sie zu sehen, hat uns ehrlich gesagt aber auch völlig gereicht. Das Fazit unser dreitägigen Tour fiel nicht besonders positiv aus. Vielleicht hatten wir schlicht zu hohe Erwartungen oder waren nach all den Erlebnissen unserer Reise einfach nicht mehr so schnell zu begeistern. Das Hauptproblem lag unserer Meinung nach aber schlicht darin, dass der peruanische Teil des Amazonas-Gebietes einfach schon zu dicht besiedelt ist. Dort wo sich Menschen eine Hütte bauen und unaufhörlich exotische Tiere jagen, um sie ein paar Kilometer weiter auf dem Markt zu verkaufen, da ist für uns Touristen einfach nicht mehr viel zu sehen. Es war der krasse Gegensatz zu dem, was wir ein paar Wochen zuvor auf den Galápagos-Inseln erlebt hatten, wo Tiere ungestört und ohne Eingreifen des Menschen ein friedliches Dasein führen. Wir hätten wohl viel weiter in den unzivilisierten Teil des Dschungels vordringen müssen, um ein richtiges Amazonas-Abenteuer zu erleben. So wird uns der Ausflug ins Grüne aber eher als eine ewige Suche nach wilden Tieren in Erinnerung bleiben, bei der zumindest die Gesellschaft gestimmt hat. Ohne 'El Gigante', Marija und 'Rulos' (die Spitznamen hatten sie von den Kindern auf dem Frachtschiff bekommen) wäre die Tour sicher nur halb so witzig gewesen.
Zurück in Iquitos genossen wir skurriler weise das, was wir in den drei Tagen zuvor bemängelt hatten - die Zivilisation. Bei Steak und Bier ließen wir die letzten Tage Revue passieren und plauderten über das Erlebte. Bevor wir am nächsten Tag zusammen mit Friedrich einen Flieger zurück nach Lima nahmen, schlenderten wir noch über den 'Mercado Central', kochten uns im Hostel ein leckeres Mittagessen und bestaunten am Abend das neue Apartment unser Schweizer Freunde, die noch ein paar Tage länger in Iquitos blieben.
Nach zwei Wochen des gemeinsamen Reisens fiel der Abschied von Marija und David nicht leicht - wir wussten aber schon zu diesem Zeitpunkt, dass wir uns mit Sicherheit irgendwann wiedersehen würden. Und da jeder Abschied auch der Beginn von etwas Neuem bedeutet, freuten wir uns auf das, was vor uns lag: Das im Norden des Landes gelegene Wanderparadies 'Huaraz'. Ihr dürft gespannt sein, was es dort alles zu erleben gibt.